Keine Straßenbeiträge – aber was dann?
Die Stadt Kronberg erhebt, wenn sie ihre Straßen grundhaft erneuert, von den Anliegern sog. einmalige Straßenbeiträge, mit denen diese dann bis zu 50% der Sanierungskosten tragen müssen. Dabei fallen für die Bürger vielfach hohe, fünfstellige Beträge an.
Diese Straßenbeiträge verärgern immer wieder Bürger und sind in letzter Zeit wieder ins Gerede gekommen, z.B. weil die Anwohner der Straßen Am Hang, Am Rothlauf und Fuchstanzweg seit 2018 immer noch auf ihre Abrechnung oder gar Rückerstattungen warten oder auch weil die Stadt betroffenen Anwohnern in Schönberg eine Informationsveranstaltung verweigert. Zudem werfen einmaligen Straßenbeiträge praktische Probleme auf, führt Dr. Frank Matzen aus:
- Die Mehrzahl der hessischen Gemeinden fordert keine Beiträge mehr: eine Familie, die in Oberhöchstadt vielleicht EUR 15.000 (aus versteuertem Einkommen!) bezahlt, würde in Niederhöchstadt überhaupt nicht belastet werden.
- Die teilweise nicht nachvollziehbare Unterscheidung zwischen Durchgangstraßen und Anliegerstraßen (bei der letzteren zahlen die Anwohner 100% mehr)
- Die enorme Ungleichbehandlung selbst bei vergleichbaren Fällen, wenn z.B. Anwohner in der einen Straße bei identischer Immobilie fünf Mal so viel bezahlen müssen wie in der nächsten, nur 20m entfernten Straße
- Die Anwohner müssen außerordentlich hohe Straßenbeiträge leisten, haben aber keinerlei Recht, bei der Gestaltung und daraus resultierenden Sanierungskosten mitzubestimmen.
Auch ist das Argument, dass die Modernisierung einer Straße für ein Grundstück eine Wertsteigerung darstellt, nicht stichhaltig. Weder bei einer Immobilien- noch bei einer Beleihungswertermittlung eines Objektes wird der Zustand der Straße berücksichtigt. Vielmehr werden noch ausstehende Straßenbeiträge wertmindernd berücksichtigt, erklärt Frank Matzen.
Immobilienbewertung
In Deutschland vorherrschend ist das in der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) und den Wertermittlungsrichtlinien beschriebene Ertragswertverfahren. Eine Besonderheit ist die Aufspaltung der Bewertung von Grund und Boden einerseits sowie in die Bewertung des Gebäudes andererseits. Die Ertragsansätze sind im Basisfall einerseits dauerhaft und andererseits endlich (angenommene Restnutzungsdauer).
Zunächst wird der Wert des Grund und Boden ermittelt, was im Vergleichswertverfahren erfolgen soll, wobei wertbeeinflussende Umstände wie z. B. dingliche Rechte angemessen zu berücksichtigen sind. Anschließend wird über die Größe, Qualität, Ausstattung, Marktgängigkeit etc. der Mietflächen eine dauerhaft zu erzielende Miete ermittelt. Soweit die aktuelle Miete darüber oder darunter liegt, kann dies durch (zu kapitalisierende) Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden. Die Ermittlungen beziehen sich jedoch ausschließlich auf das Grundstück und nicht auf die zuführende Strasse. Abschläge können jedoch in Betracht gezogen werden, wenn es Straßenbeiträge noch zu zahlen sind. Diese mindern dann den Wert der Immobilie.
Die jährlich erzielbare Summe aller Erträge ergibt den Jahresrohertrag. Hiervon abzuziehen ist der nicht auf den Mieter umlegbare Anteil der Bewirtschaftungskosten: Betriebskosten, Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten, Grundsteuern und Mietausfallwagnis (uneinbringliche Mietrückstände im Sinne von Forderungsverlusten). Es ergibt sich der Reinertrag vor Abzug der Bodenwertverzinsung, also der faktisch dem Eigentümer aus dem Objekt zur Verfügung stehende Kapitalfluss.
Der Bodenwert wird mit dem Liegenschaftszins, welcher von den Gutachterausschüssen empirisch ermittelt wird, multipliziert. Die Höhe des Liegenschaftszins ist abhängig von der Lage und der Nutzung des Grundstückes. Das Ergebnis ist die Bodenwertverzinsung, welche vom Reinertrag vor Bodenwertverzinsung abzuziehen ist. Es ergibt sich der Reinertrag. Diese Vorgehensweise spiegelt die in der deutschen Bewertungspraxis vorgenommene (fiktive) Trennung von Grund und Boden einerseits und baulichen Anlagen andererseits als eigenständige Wirtschaftsgüter wider.
Da die Nutzbarkeit von Gebäuden endlich ist, gilt es zu ermitteln, wie lange das Gebäude wirtschaftlich nutzbar ist. Finanzmathematisch wird der Reinertrag als konstante Zahlung über einen begrenzten Zeitraum angesehen und kann daher kapitalisiert werden. Der so genannte Diskontierungssummenfaktor oder auch Vervielfältiger wird aus der Restnutzungsdauer und dem Liegenschaftszinssatz abgeleitet, wobei der Liegenschaftszinssatz das Risiko darstellt, dem die zukünftigen Zahlungsflüsse unterliegen. Die Ableitung dieses Faktors erfolgt finanzmathematisch oder anhand der in der ImmoWertV enthaltenen Tabelle. Die Multiplikation des Reinertrags mit dem Vervielfältiger ergibt den Ertragswert der baulichen Anlagen, welcher ggf. um wertbeeinflussende Umstände wie z. B. Instandhaltungsstau zu korrigieren ist. Der Wert der baulichen Anlagen zuzüglich Wert des Grund und Bodens ergibt den Ertragswert des bebauten Grundstücks.
Warum also werden diese einmaligen Beiträge nicht auch in Kronberg abgeschafft, so wie manche dies fordern? Weil der städtische Haushalt leider keinen Spielraum bietet, auf die ca. EUR 1 Mio. pro Jahr zu verzichten. Leider haben sich die Voraussetzungen – trotz einmaliger Sondereffekte – angesichts von CoVid 19 nicht verbessert.
Die Stadt hat 2019 die prozentuale Beteiligung der Anwohner – auch mit Unterstützung der FDP – bei Anliegerstraßen um 25%-Punkte gesenkt, aber jede weitere Reduzierung – so Kristina Fröhlich, Fraktionsvorsitzende der FDP – erfordert eine Gegenfinanzierung aus anderen Bereichen, eine unpopuläre Tatsache, auf die die FDP bereits in den vergangenen Wahlkämpfen hinwies. Welche Optionen gäbe es also für die Gegenfinanzierung?
Ein gut gemeinter Vorschlag – u.a. auch vom neuen Bürgermeister Christoph König während des Wahlkampfs gefordert – sind wiederkehrende Straßenbeiträge, bei denen die verschiedenen Straßen zu einem Abrechnungsgebiet zusammengefasst und von allen Eigentümern jährliche, geringere Beiträge erhoben werden. Dies würde die Höhe der zu leistenden Straßenbeiträge deutlich reduzieren. Die Einführung dieses Systems erfordert aber die einmalige Erhebung von Daten von mehr als 4.000 Grundstücken, die bisher nicht erfasst wurden, sowie die laufende Pflege dieser Daten. Dieser Verwaltungs- und Datenpflegeaufwand ist erheblich. Darüber hinaus mangelt es bisher noch an Rechtsprechung zu wiederkehrenden Straßenbeiträgen, was auch eine gewisse Rechtsunsicherheit mit sich bringt. Aus diesen Gründen hat z.B. die Stadt Langen dieses System wieder aufgehoben, berichtet Frank Matzen.
Mit geringem Aufwand könnten die einmaligen Straßenbeiträge durch die Erhöhung der laufenden Grundsteuer B ersetzt werden. Zwei Punkte sind dabei jedoch zu beachten: (1) Eine Besserstellung derjenigen Bürger, die bereits in den letzten Jahren Straßenbeiträge bezahlt haben, ist bei der Erhebung der Grundsteuer nicht möglich und (2) die erhöhte Grundsteuer kann auf die Mieter umgelegt werden.
Grundsteuern für Mieter
Bei Vermietung einer Immobilie, können gemäß § 2 Nr. 1 Betriebskostenverordnung die Grundsteuern anteilig an die Mietparteien umgelegt werden, wenn Sie die Zahlung von Nebenkosten im Mietvertrag festgelegt haben.
In dem bestehenden System der einmaligen Straßenbeiträge haben die betroffenen Bürger das Recht, die Zahlung der einmaligen Straßenbeiträge durch ein Darlehen der Stadt über 20 Jahre zu strecken. Die Konditionen hierfür sind derzeit günstig, da der Zins mit 1% über dem Basiszins (derzeit – 0,88%) festgelegt ist. So kann der Bürger seine Liquiditätsbelastung quasi wie wiederkehrende Straßenbeiträge gestalten. Dennoch bleibt das Problem der Ungleichbehandlung. Zudem bekäme die Stadt Kronberg in anderes Problem: „Bei rd. 1 Mio. € Straßenbeiträgen pro Jahr könnte sich für die Stadt bei vollständiger Inanspruchnahme und 20-jähriger Laufzeit ein langfristiger Finanzierungsbedarf von rd. 10 Mio. € ergeben, Darüber hinaus müssten die Darlehen der Bürger verwaltet werden“, so Frank Matzen. Auch deshalb sollte die Stadt Kronberg andere Lösungen finden.
Darlehensregelung für einmaligen
Bei einmaligen Straßenbeiträgen kann gemäß § 11 Abs. 12 KAG eine Ratenzahlung mit einer Verzinsung von bis zu 1% über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB eingeräumt werden, ansonsten gelten für alle Straßenbeiträge die Regelungen der Abgabenordnung mit der Möglichkeit der Stundung, der Ratenzahlung oder eines (Teil-)Erlasses.
Offensichtlich gibt es nicht die perfekte Lösung, die allen Beteiligten gerecht wird. Was also schlagen die Freien Demokraten vor?
Um eine Verbesserung des Systems der Straßenfinanzierung schon jetzt anzugehen, schlagen die Freien Demokraten einen Kompromiss vor, nämlich das sog. „Königsteiner Modell“. Die Königsteiner Nachbarn haben ein Konzept entwickelt, bei dem die einmaligen Straßenbeiträge schrittweise über die nächsten 10 Jahre sinken, indem der von der Stadt getragene Aufwand entsprechend ansteigt. (Vgl. FDP befürwortet Übergangsregelung bei Straßenbeiträgen) Gleichzeitig wird die Grundsteuer B künftig bei Bedarf schrittweise erhöht werden. Ob eine Erhöhung der Grundsteuer mit jeder Senkung der Straßenbeiträge notwendig ist, hängt dann von den künftigen Steuereinnahmen ab, z.B. wenn es der Stadt gelingt, neue profitable Unternehmen in Kronberg anzusiedeln. Auch muss die bis 2025 umzusetzenden Grundsteuerreform berücksichtigt werden. Hier gibt es bei der Umsetzung noch sehr viele Unbekannte, so dass man jetzt nur auf Sicht fahren kann, so Matzen
Als ersten Schritt kann sich die FDP einen pauschalen Beitrag der Anlieger von 25% (unabhängig ob Anlieger- oder Durchgangstraße) vorstellen, also eine klare Deckelung. Dies würde übermäßig hohe Beiträge verhindern. Die Finanzierung über eine schrittweise Erhöhung der Grundsteuer B würde sich auf eine sehr große Zahl der Einwohner verteilen. Für diejenigen Bürger, die in den letzten Jahren bereits ihre hohen Beiträge gezahlt haben, müsste die Stadt zumindest den Versuch unternehmen, z.B. zumindest bei noch nicht endgültig abgerechneten Fällen die Senkung auch rückwirkend zu ermöglichen.
Eines ist der FDP klar, so ungerecht wie es derzeit ist, kann es nicht bleiben, aber ohne belastbare Finanzierung geht es auch nicht.